Frau Görs, Sie optimieren als UX-Expertin das Nutzer*innen-Erlebnis von Interaktionen mit einem digitalen Produkt. Was beinhaltet Ihre Arbeit genau?
Ich nehme, beispielsweise bei Websites, die Anforderungen der Betreibenden auf: Was ist gewollt, was ist gebraucht? Die Ergebnisse gleiche ich mit den bekannten oder vermuteten Erwartungen der Nutzer*innen ab, mit deren Vorlieben oder Gewohnheiten. Da liegt oft ganz viel dazwischen. Ich decke die Lücken auf. Es kommt vor, dass User*innen etwas ganz anderes brauchen, als sich die Auftraggebenden vorstellen. Es ist mein Job, das herauszubekommen und anzupassen. Ich mache viel User-Research und UX-Konzeption. Auch Empfehlungen, wie man ein digitales Angebot nutzer*innenfreundlich gestalten kann, gehören dazu. Die eigentliche Designaufgabe, die gestalterische Komponente, liegt dann nicht mehr bei mir.
Haben Sie ein praktisches Beispiel für diese Arbeit?
Ich bin für ein Unternehmen aus der Immobilienbranche tätig. Eine Anforderung war, die Suchfunktion für mobile Geräte zu verbessern. Wir haben gemerkt, dass die Nutzer*innen zunehmend Immobilien auf dem Smartphone suchen. Dafür haben wir die Ortsumkreissuche neu aufgebaut. Die Suchenden können nun den Radius über einen Schieberegler einstellen oder auch Orte manuell eintippen.
Was macht User Experience aus, um langfristig gute Ergebnisse erzielt?
Immer mit den Nutzenden in Kontakt bleiben. Nie aufhören, mit den Menschen zu reden.
Sind die Methoden der UX nur auf digitale Produkte anwendbar?
Ich persönlich bin auf digitale Angebote spezialisiert, habe es aber auch schon für physische Produkte gemacht. Dabei war beispielsweise die Einrichtung eines Supermarktes. Es wurde bestimmt, wo welche Produkte am besten platziert werden, besonders am Eingang. Das lässt sich nicht allein durch Marktforschung untersuchen.
Wie nähern Sie sich einer möglichst optimalen Schnittstelle zwischen Mensch und digitaler Anwendung an?
Das kann mit einem Papierentwurf bis zu einem Prototypen beginnen. Es geht über reines Befragen hinaus. UX verlangt, die Nutzer*innen zu beobachten. Ich spreche zunächst in einstündigen Interviews mit 10 bis 15 Anwender*innen, ausgesuchte Leute aus der jeweiligen Zielgruppe. Dann stelle ich ihnen eine konkrete Aufgabe, bei der sie einen Lösungsweg finden müssen. Ich beobachte, ob sie es schaffen. Oder man lässt die Testpersonen das Produkt intuitiv verwenden. Anschließend sollen sie Feedback geben, ob es für sie erwartungsgemäß und einfach funktioniert – oder eben nicht. Mit diesem Ergebnis gehe ich in die nächste Stufe.
Wie schulen Sie Ihr feines Gespür für bestmögliche Nutzer*innen-Führung?
Indem ich immer wieder die Nutzer*innen befrage. Es gibt nichts, was ich von vornherein weiß. Ich bin meist nicht diejenige, die das Produkt am Ende nutzt. Ich frage die Zielgruppe nicht einmal, nicht zweimal, sondern immer wieder. Nach dem Feedback vom ersten Entwurf, der getestet wurde, passe ich diesen an. Es entsteht eine Weiterentwicklung, die erneut beurteilt wird. UX ist kein Prozess, der einen Anfang und ein Ende hat. Es ist ein Zyklus, eine sich wiederholende Schleife.
Wie wird eine UX-Strategie authentisch und hebt sich damit vom Wettbewerb ab?
Indem ich die Unternehmenskultur des Anbietenden in der UX berücksichtige. Einige Kund*innen tun sich allerdings schwer damit. Forme ich die UX für sich allein, wird sie nicht gelebt. Eigentlich muss das ganze Team, vor allem die Entwickler*innen, in UX denken: Produktmanager*innen, Projektleiter*innen, wirklich alle. Dafür missioniere ich viel, denn besonders im Mittelstand ist diese Verfahrensweise noch nicht so gängig. Es gibt viele Vorurteile. Es sei zu teuer oder halte zu sehr auf. Diese Denke führt zu nicht nutzerzentrierten Lösungen, die am Ende noch teurer werden. Sie müssen überarbeitet werden oder funktionieren nicht.