Im Rahmen des Russland-Ukraine-Konflikts warnen Spezialist*innen vor einem Cyberkrieg in Europa. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation?
Die Bedrohungslage, die wir durch den Konflikt erleben, erhöht die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema IT-Sicherheit. Tatsächlich wächst die Gefahr bereits seit längerer Zeit. Der Russland-Ukraine-Konflikt verschärft lediglich bestehende Trends in der Cybersecurity.
Für Laien erklärt: Wie sieht ein Cyberangriff aus?
Beim Hacking wollen die Angreifenden herausfinden, an welchen Stellen Organisationen Konfigurationsfehler übersehen haben oder eingesetzte Komponenten Schwachstellen aufweisen. Am Ende ist das Hacken eine strategische Kalkulation von Aufwand und Nutzen. Wie schwierig ist es, in ein System einzudringen? Was der mögliche Gewinn? Oder wie hoch der maximale Schaden, der sich durch die erfolgreiche Kompromittierung eines IT-Systems erzielen lässt?
Wer ist durch dieses Vorgehen besonders gefährdet?
Mittelständische Unternehmen sind beliebte Ziele. Sie sind wirtschaftlich stark genug und können möglichen Lösegeldforderungen nachkommen. Und die werden während eines Ransomware-Angriffs oft gestellt. Zum anderen verfügt der Mittelstand häufig über keine großen IT-Sicherheitsabteilungen, die sich permanent um den Schutz der Systeme bemühen. Für Hackerinnen und Hacker erscheint das Aufwand-Nutzen-Verhältnis entsprechend attraktiv.
Das Besondere an den zu erwartenden Angriffen ist, dass es nicht primär ums Geld geht, sondern um gesellschaftlichen Schaden. Worauf müssen sich die Menschen im Land einstellen?
Dass die Angreifenden einige Branchen besonders fokussieren. In Deutschland sprechen wir dabei von den kritischen Infrastrukturen (KRITIS). Es ist klar definiert, welche Unternehmen zu den sogenannten KRITIS-Betreibern gehören. Unter anderem sind das Firmen aus den Bereichen Energie, Staat und Verwaltung. Aber auch Wasserversorger und Lebensmittelproduzenten zählen dazu.
Wie sind diese Firmen auf die aktuell diskutierten Szenarien vorbereitet?
KRITIS-Betreiber müssen ohnehin bestimmte Anforderungen an die IT-Sicherheit erfüllen. Das heißt: Die IT-Systeme nach dem aktuellen Stand der Technik absichern und Meldewege einrichten. Über diese sollen sie in einer Schadenssituation potenzielle Sicherheitsvorfälle kommunizieren. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) empfiehlt diesen Unternehmen regelmäßig Maßnahmen zur Absicherung der IT. Auch bezogen auf aktuelle Gefahrenlagen.
Wie steht es um die nicht-kritischen Firmen?
Für mich ist entscheidend, dass sich nicht nur KRITIS-Betreiber um ihre IT-Sicherheit sorgen. Organisationen, die nicht oder noch nicht als kritische Infrastruktur gelten, müssen sich definitiv ihrer Attraktivität für Angreifer bewusst sein. Und sie sollten sich für die wachsende Bedrohungslage wappnen. Oft sind es kleinere Lieferanten oder Dienstleister, die in bestimmten Sektoren bedeutende Aufgaben erfüllen. Besonders diese Unternehmen könnten jetzt ein gefragtes Ziel darstellen.