Jannik Kroll
von Jannik Kroll
 
20.09.2023
 
8 Min.
Arbeitslaptop auf Schreibtisch

Frau Zimmermann, Sie sind seit mehr als 20 Jahren erfolgreiche Art Direktorin und Visual Designerin und haben für einige Top-Marken gearbeitet. Warum tun Sie das nicht in einem Konzern, nicht in einer Agentur – sondern als Freelancerin?

Ich habe in meiner Berufskarriere sowohl Agentur- als auch Unternehmensseite kennengelernt und dadurch viel gelernt, was mich gut auf die Selbstständigkeit vorbereitet hat. Mir gefällt es sehr, dass ich als Selbstständige mehr Freiheiten in meiner Arbeit habe. Meine Aufgabenbereiche und Projekte sind vielfältiger, die Arbeitsweise ist flexibler, dynamischer. Ich kann entscheiden, mit wem ich zusammenarbeiten und welchen Herausforderungen ich mich stellen möchte. In einer Festanstellung wäre das in dieser Form nicht möglich. Durch die vielfältigen Aufgaben lerne ich auch viel über mich selbst – beispielsweise über meine Disziplin oder Arbeitsweise – und entwickle mich stetig weiter.

Die Selbstständigkeit ist ein signifikanter Schritt im Berufsleben. Wie kam es bei Ihnen zu dieser Entscheidung?

Der Auslöser war die weltweite Finanzkrise 2008. Ich verlor wie viele andere meine Festanstellung. Danach bewarb ich mich bei Agenturen und Unternehmen, dachte sogar über einen Umzug oder eine Ausbildung in einem anderen Bereich nach. Dann erreichte mich die Zusage einer Agentur.

Das klingt nach einer guten Nachricht. Warum entschieden Sie sich für die Selbstständigkeit?

Ich konnte mich nicht wirklich über das Jobangebot freuen. Ich hatte eher das Gefühl, wieder in ein Hamsterrad zu rutschen. Ich habe damals die Zusage ein paar Tage “sacken lassen” – und mich dann dagegen entschieden. Es passte einfach nicht mehr.

Einerseits mochte ich meinen Beruf sehr gerne, andererseits waren damals die Arbeitsbedingungen unglaublich anstrengend. Dann hat mich eine Bekannte, die sich mit einem Ladengeschäft selbstständig gemacht hatte, gefragt, ob ich Lust hätte für sie CI und Packaging zu gestalten – und mit dem Projekt merkte ich, dass ich immer noch viel Leidenschaft für meinen Beruf habe, aber die Konditionen dafür sich ändern mussten. Und so fing alles an.

Oft ist die Absicherung für Soloselbstständige noch nicht besonders gut. Das betrifft Bereiche wie das Eltern- und Kinderkrankengeld oder Weiterbildungen.

Angenommen, Sie dürften nur ein Projekt als Referenz anführen: Welches wäre das – und warum?

Eine schwierige Frage. Natürlich habe ich einige Herzensprojekte, besonders aus dem sozialen Bereich. Diese umfassen meist mehr als reine Werbung. Ich darf aufklären und Wissen vermitteln.

Genauso gibt es Projekte, bei denen ich über den Tellerrand schauen und mich in ganz neue Bereiche einarbeiten muss. Auf die bin ich natürlich sehr stolz, wenn ich merke, dass meine Konzepte und Designs funktionieren und ich ein positives Feedback bekomme.

Apropos Feedback. Das ist Mitarbeitenden oft besonders wichtig. Vor allem, in welcher Art und Weise es übermittelt wird. Wie funktioniert das beim Freelancing?

Heute bekomme ich regelmäßig gutes Feedback, meine Arbeit erhält mehr Wertschätzung. In meiner Festanstellung gab es häufig nur Gespräche, wenn etwas nicht ganz rund lief.

Wie oft denken Sie im Jahr, dass ein festes Arbeitsverhältnis trotzdem nett wäre?

Wenn ich Urlaub geplant habe oder krank bin. Auch bei Steuerangelegenheiten wünsche ich mir manchmal eine Festanstellung. Oft ist die Absicherung für Soloselbstständige noch nicht besonders gut. Das betrifft Bereiche wie das Eltern- und Kinderkrankengeld oder Weiterbildungen.

Diese müssen normalerweise selbst finanziert werden. Einer der wichtigsten und unterschätztesten Aspekte für Soloselbstständige. Durch die sich stetig wandelnden Technologien ist es unerlässlich, sich weiterzubilden. Währenddessen kann ich aber keine oder weniger Aufträge annehmen, das kostet mich wiederum Geld. Denn meine Ausgaben bleiben gleich oder steigen sogar zusätzlich. Gleichzeitig kann ich bei weniger Einkommen nur einen geringeren Anteil der Weiterbildungskosten steuerlich geltend machen, denn diese sind an den jeweiligen Steuersatz gebunden, der bei geringeren Einnahmen dementsprechend niedriger ist.

Was würden Sie sich – angelehnt an das KRONGAARD-Gespräch mit Wolf Lotter – auch von der Politik wünschen? Wie lassen sich neben der Besteuerung von Weiterbildungen bessere Bedingungen schaffen?

Selbstständige sollten mehr als Potenzial angesehen werden. Unternehmen erhalten oft finanzielle Unterstützung und werden subventioniert. Das ist richtig und wichtig, denn sie sind für viele Mitarbeitende verantwortlich. Gesetzesbeschlüsse inkludieren aber selten Selbstständige. Die freiberufliche Arbeit wird insgesamt eher erschwert als angepriesen. Dabei können Freelancer neue Impulse liefern und eine große Bereicherung für die Wirtschaft sein. Das wird oft unterschätzt.

Als externe Mitarbeiterin bin ich frei von persönlichen Ambitionen und nicht durch Unternehmenspolitik beeinflusst. Dadurch habe ich einen anderen Blick auf Projekte und Arbeitsweisen.

Wie könnte ein solcher Anreiz auf politischer Ebene aussehen?

Ein geringerer administrativer Aufwand wäre wünschenswert. Häufig wird der Zeitaufwand für administrative Arbeiten, wie zum Beispiel Buchhaltung, Akquise, IT und Projektmanagement, unterschätzt. Diese sind aber ein wichtiger Bestandteil der Selbstständigkeit und kommen zur eigentlichen Tätigkeit hinzu. Auch sollte es mehr Anreize für die eigene Weiterbildung geben.

Was ist der große Vorteil der Selbstständigkeit mit Blick auf die Kreativität?

Als externe Mitarbeiterin bin ich frei von persönlichen Ambitionen und nicht durch Unternehmenspolitik beeinflusst. Dadurch habe ich einen anderen Blick auf Projekte und Arbeitsweisen. Zudem habe ich, anders als in Agenturen, immer direkten Kundenkontakt. Anreize, die ich einbringe, gelangen jederzeit an die richtigen Ohren. Das hilft mir enorm beim Kennenlernen und ist damit eine gute Grundlage für meine Ideen. Auch spüre ich meist intuitiv, ob eine Zusammenarbeit erfolgreich sein kann.

Worauf achten Sie im ersten Kontakt mit Kundinnen und Kunden?

Für mich ist es essentiell, sich auf Augenhöhe zu begegnen und ungezwungen miteinander reden zu können. Ist das nicht der Fall, lehne ich manchmal auch eine Anfrage ab. Zudem vertraue ich sehr auf mein Bauchgefühl. Das hat bisher immer gut funktioniert.

Die unmittelbare Reaktion auf ein erstes Angebot ist ebenfalls ein verlässlicher Indikator. Spüre ich keine Wertschätzung oder zumindest das Potenzial dafür, überdenke ich meine Entscheidung. Bei vereinzelten Anfragen recherchiere ich auf Bewertungsportalen über die Unternehmen. Ich möchte wissen, ob die Philosophie zu meiner Arbeit passt. Und ganz wichtig: Ein enger Kontakt zu meinen Ansprechpartnerinnen und -partnern bei KRONGAARD. Die vernetzen mich oft mit spannenden Projekten und tollen Teams.

Manche Unternehmen scheuen sich noch vor dem Einsatz von Soloselbstständigen. Sogar kleinere Beratungsboutiquen müssen sich mühen. Woran liegt das?

Der Hauptgrund ist die vermeintlich fehlende Manpower. Viele Unternehmen scheuen sich, weil sie sich sorgen, dass ich krankheitsbedingt ausfalle oder eine gewünschte Leistung als Einzelperson nicht erbringen kann. Dass es dann keinen Ersatz gibt und das gemeinsame Projekt scheitert. Das passiert aber nicht. Benötige ich Hilfe, schalte ich mein Netzwerk ein.

Auch können Soloselbstständige nicht die gleiche 360°-Betreuung wie eine Agentur anbieten. Dadurch fehlt oft das Vertrauen von der Auftraggeberseite.

Ist es deshalb für Selbstständige wichtig, dass Recruiter wie KRONGAARD von außen schauen, ob es passt?

Die Zusammenarbeit mit Krongaard ist für mich ein großer Vorteil. Durch gemeinsame Projekte und einen regelmäßigen Austausch kennen meine Ansprechpartner nicht nur mich, sondern natürlich auch ihre Businesspartner sehr gut. Sie können so besser einschätzen, ob ein Projekt zu mir und meinem Portfolio passt.

Selbstständige bringen oft eine gewisse Nonkonformität mit, den Blick von außen. Beherzte Dynamik, könnte man sagen. Unternehmen wollen aber das Vertraute und zwingen Menschen auf Linie. Oder wollen das zumindest tun.

Ich denke, die meisten von uns fühlen sich wohler im Vertrauten. Neue Herangehensweisen bringen meist erst einmal eine gewisse Unruhe. Gleichzeitig ist genau das wichtig, um sich weiterzuentwickeln – das gilt für mich als Freelancer genauso wie für Unternehmen. Nur so kann man langfristig auf dem Markt bestehen.

Als Freelancer habe ich so eine Situation zum Glück noch nicht erlebt. Ich habe aber Erfahrung in einer ähnlichen Lage gesammelt. Nach einem erfolgreichen Design-Relaunch eines Unternehmens, dekonstruierte der Auftraggeber im Laufe der weiteren Zusammenarbeit nach und nach die Neuerungen. Er kehrte immer mehr zum Altbekannten zurück.

Natürlich hätte ich die Zusammenarbeit beenden können – aber das tat ich nicht. Stattdessen suchten und fanden wir einen Kompromiss, der beide Seiten glücklich machte.

Dieser neutrale Input kann das ganze Unternehmen voranbringen. Besonders wenn diese ansonsten lieber auf klassische Methoden und Arbeitsweisen setzen.

Nicht mit allen Unternehmen läuft die Arbeit so harmonisch. Wie können Auftraggeber, die es besser machen wollen, den Blick von außen am idealsten nutzen?

Indem sie die Sorge ablegen, dass Externe alles radikal verändern wollen. Es ist nicht mein Ziel, bestehende Designs oder gar Strukturen neu zu definieren, sondern diese im vorgegebenen Rahmen weiterzuentwickeln und voranzubringen.

Für mich persönlich ist es wichtig, mit dem Kunden ein Team zu bilden, in dem man gemeinsam an einem Projekt arbeitet und sich gegenseitig unterstützt. Dazu gehört eine offene Kommunikation – auch über Schwierigkeiten, sowie Empathie. Die Erwartungen sollte auf beiden Seiten auf einer Linie sein.

Denken Menschen selbstbewusster, wenn sie unabhängig von der internen Unternehmenspolitik sind?

Ja und Nein. Wertschätzendes Feedback und regelmäßige Aufträge pushen das Selbstbewusstsein. Bleiben Anfragen aber aus, kann das die Moral runterziehen. Zweifel kommen auf und das Vertrauen in die eigene Arbeit leidet. Durch eine realistische Einschätzung meiner Arbeit und Erfahrung kann ich heute mit solchen Phasen deutlich besser umgehen.

Was mögen Sie am “extern beschäftigt sein” am liebsten?

Da kann ich mich schwer für eine Sache entscheiden. Am meisten schätze ich meine abwechslungsreichen Projekte und einen guten Austausch mit meinen Kund*innen. Dadurch kann ich Wünsche präziser erfüllen.

Da ich außerdem häufig remote arbeite, kann ich meinen Arbeitstag und meine Arbeitszeiten flexibler gestalten und so besser in den Workflow kommen. Ich bin keinen Unternehmensstrukturen und täglichen Meetings unterworfen. Und mir gefällt es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die eine ähnliche Arbeitsweise haben wie ich. Dadurch erziele ich bessere Ergebnisse.

Was Selbstständige von der Freiheit haben, haben wir besprochen. Wie profitieren Unternehmen?

Sie erhalten Impulse von Menschen, die nicht von der Unternehmenspolitik beeinflusst sind. Die Erkenntnisse können auch Workflows oder Skills betreffen. Dieser neutrale Input kann das ganze Unternehmen voranbringen. Besonders wenn diese ansonsten lieber auf klassische Methoden und Arbeitsweisen setzen. Zudem ermöglicht die Arbeit mit Freelancern eine höhere Flexibilität – schnellere Feedbackloops sorgen für eine effektivere Zusammenarbeit. Außerdem bieten sie oftmals die Fähigkeiten, die es im Unternehmen nicht gibt. Das führt zu schnelleren und besseren Ergebnissen.

Zum Abschluss: Was sind Ihre Tipps an Unternehmen, die mit Selbstständigen effektiver zusammenarbeiten möchten?

Gute Kommunikation. Zu der gehört neben den positiven Aspekten auch Kritik. Von beiden Seiten. Strenge Hierarchien erzeugen keinen Mehrwert in einer erfolgreichen Zusammenarbeit. Deshalb sollten die Gespräche immer auf Augenhöhe ablaufen. Offen, aber respektvoll. Das schafft eine Vertrauensbasis.

Idealerweise Freelancer bereits in Konzept, Strategie und Umsetzung einbeziehen. Das ermöglicht weitere Impulse, einen besseren Überblick über das langfristige Ziel und dadurch eine konstruktivere Zusammenarbeit.

Keine unrealistischen Ansprüche stellen. Das betrifft den Umfang, die Timings und die Kosten. Aufwendigere Projekte benötigen Zeit, die Unternehmen den Freelancern gewähren müssen. Außerdem sollten die Aufgaben zur Kompetenz passen.

Die Arbeit und den Menschen wertschätzen. Einer der wichtigsten Punkte nicht nur bei Selbstständigen, sondern auch bei Angestellten. Begegnen ihnen Unternehmen mit Wertschätzung, steigt mit der Motivation die Qualität der Ergebnisse.

Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Simone Zimmermann erfolgreich als selbstständige Art Direktorin und Visual Designerin. Für sie ist der projektbezogene Einsatz von Selbstständigen ein noch immer unterschätztes Potenzial für Unternehmen. An ihrer Arbeit schätzt sie die Aufgabenvielfalt und den direkten Kontakt zu ihren Kunden.

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Simone Zimmermann
Art Direktorin und Visual Designerin

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