von
 
25.03.2021
 
10 Min.
Divers sein heißt erfolgreich sein

1. Aller Anfang ist schwer

Ich bin ein Weltkind. Ich wurde in Venezuela geboren und bin dort im Norden Südamerikas, in den USA und in Kanada aufgewachsen. Danach bin ich für Jobs und meine Ausbildung um den Erdball gereist. Ich durfte für internationale Unternehmen arbeiten. Ich spreche vier Sprachen, durfte vieles sehen, weltweit meine Erfahrungen machen. In Baden-Württemberg brauchte ich trotzdem meine Zeit, um anzukommen.

Ich habe an der Universität in Nürtingen meinen MBA-Abschluss gemacht. Ich hatte vor meiner Anreise am Goethe-Institut in Caracas Deutsch gelernt. Ich dachte, ich beherrsche die Sprache. Aber die Leute in der Stadt verstand ich nicht. Egal, wie gut ich hinhorchte: Vieles vom Gesprochenen konnte ich nicht identifizieren.

Erst als ich ins hochdeutsche Hannover zog, kam ich lingual in Deutschland an. Zwischenzeitlich hatte ich befürchtet, dass ich diese Sprache niemals beherrschen könnte.

2. Mehr als Imagepflege und gutes Gewissen

Mein persönlicher Background ist für meine Aufgabe als Innovations- und Diversitätsberaterin sehr hilfreich. Ich verstehe, wie schwierig es sein kann, wenn man sich als Außenseiterin in bestehende Organisationen einfügen möchte. Ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man nicht sofort dazu gehört. Ich musste so manche Barrieren mit sehr viel Anstrengung überwinden.

Durch meine Laufbahn als externe Projektspezialistin habe ich gleichzeitig die andere Seite kennengelernt. Ich verstehe, dass einige dieser Hürden nicht aus einer bösen Absicht heraus entstanden sind, sondern weil sich viele Strukturen über die Jahre versteift haben. Bei erfolgreichen Unternehmen wie IBM oder der The Coca-Cola Company durfte ich als Mitarbeiterin zudem lernen, dass das Bestärken von Diversität, Inklusion und Equity mehr ist als eine gesellschaftliche Aufgabe, mehr ist als Imagepflege.

3. Für mehr Innovationspotenzial und mehr Revenue

Diversität kann sich auf vielen Ebenen für Unternehmen und Organisationen auszahlen. Denn Diversität verbessert das Innovationspotenzial. Diversität sorgt auf Dauer dafür, das Unternehmen ihre Kund:innen präziser ansprechen und aufgrund neuer Synergien mehr Revenue erzielen. Das Streben nach mehr Vielfalt ist damit auch eine langfristige wie lohnenswerte wirtschaftliche Investition.
Wenn ich das meinen Ansprechpartner: innen in Unternehmen so schildere, schauen viele überrascht. Sie verstehen das Thema Diversität häufig lediglich als Aufwand, als eine Pflicht, die es zu erledigen gilt. Manche Firmen beauftragen erst eine Beratung oder einen Audit, wenn es Lawsuits gibt, wenn juristisch relevante Vorfälle zu einer Reaktion nötigen.

Erfolgreiche Unternehmen und auch die, die es sein wollen, fokussieren Diversität von Beginn an. Viele Studien belegen die positiven wirtschaftlichen Effekte von offenen, transparenten und durchmischten Unternehmenskulturen. Auf das erste Erstaunen vieler Projektpartner folgt die Frage nach dem Warum. Sie wollen wissen, wieso etwas, das vornehmlich Gelder kostet und mit unbequemen Prozessen und Einsichten verbunden ist, solch positive Effekte hat. Ich kann an dieser Stelle eine sehr ausführliche Antwort geben.

4. Mehr Konflikte, mehr Ideen

Zunächst einmal führt Diversität zu Konflikten. Diese sind für Innovationen zwingend notwendig. Reibung und echter Diskurs gebären oft die großen Ideen. Agieren alle Beteiligten hingegen aus ähnlichen Perspektiven und mit gleichen Denkmustern, werden allenfalls schwache Impulse entstehen. Das, was immer galt, gilt weiter. Durch diese Denke ersticken wir Innovationen im Voraus.

Unternehmen, die breit aufgestellt sind, verstehen vielschichtige Interessen von Kund:innen präziser, weil die eigenen Mitarbeitenden eine höhere persönliche Schnittmenge zu den Clients besitzen. Divers aufgestellte Unternehmen tendieren eindeutig zu einer realistischeren Kund:innenwahrnehmung. Besonders in diesem Thema klafft ein signifikanter Gap, eine breite Kluft. Etwa 80 Prozent der Unternehmen glauben, ein tolles, überdurchschnittlich wertvolles Produkt anzubieten. Aber nur eine absolute Minderheit hat auf Kund:innenseite tatsächlich die gleiche Wertschätzung für ein Erzeugnis oder eine Dienstleistung übrig.

Dazu kommt ein Aspekt, den manche Organisationen gerne missachten: Diversität macht Unternehmen für junge High Potentials attraktiv. Diese wollen mehrheitlich für progressiv agierende und weltoffene Organisationen arbeiten. Die einen wegen der sozialen Kultur. Andere, besonders hoch talentierte Frauen und Menschen, die sich in einem bestimmten Gebiet zu einer Minderheit zählen, favorisieren Arbeitgeber, die Chancen versprechen. Niemand wählt freiwillig eine Sackgasse. Und andere denken gar nicht so bunt, sondern eher rational: Vielfältig aufgestellte Unternehmen erscheinen ihnen krisenfester und zukunftsweisender.

Divers zu sein – das heißt für Firmen nicht nur, Leute, die anders sind und anders leben wollen, einzustellen. Sie müssen auch diejenigen fördern, die schon da sind.

5. Wie wir Toleranz, Inklusion und Vielfalt aktiver leben

Es gibt zahlreiche Ebenen, auf denen wir das Thema “Diversität in Organisationen” betrachten könnten. Ich möchte mich auf drei Bereiche konzentrieren:

Diversität als Oberbegriff:

Unternehmen versuchen, ihre Organisation möglichst heterogen und vielseitig aufzustellen. Das bedeutet: Sie stellen Menschen unabhängig von Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Alter, einer etwaigen Behinderung oder Nationalität ein. Divers zu sein sorgt beispielsweise dafür, dass wir gravierenden Problemen wie Diskriminierungsvorfällen wirksam vorbeugen. Denn dort, wo die Menschen sehr unterschiedlich sind, wird Toleranz, Inklusion und Diversität viel aktiver gelebt.

Inklusion:

Dass Menschen unabhängig ihrer äußeren Merkmale, ihrer Haltung oder Denkweise die Chance bekommen, ein Unternehmen zu bereichern, ist das eine. Sie müssen aber auch aktiv in Prozesse und Entscheidungen involviert sein und nicht einfach nur da. Erst durch breite Partizipation können sich die Vorteile von Diversität frei entfalten. Auch vermeiden wir das Denken in sogenannten Bubbles.

Equity:

Wir sprechen oft von Gleichbehandlung. Jeder soll die gleichen Möglichkeiten, dieselbe Förderung erhalten. Das funktioniert in einer idealen Welt, in der alle Beteiligten ihrer Karriere mit identischen Chancen und Voraussetzungen beginnen. Equity meint etwas anderes, es lässt sich als Begriff “Gerechtigkeit” übersetzen. Manche Menschen brauchen mehr Förderung als andere, weil sie schwereren Ballast tragen müssen oder anderweitig benachteiligt sind. Equity heißt nicht, jeden gleich zu behandeln. Sondern dass wir alle Mitarbeitenden individuell so befähigen, dass sie ihre Potenziale bestmöglich abrufen können. Schon oft zeigte sich, dass vermeintlich Schwächere mit der richtigen Unterstützung in ihren Bereichen zu unverzichtbaren Führungskräften oder Expert: innen aufstiegen.

6. Der schwierige erste Schritt

Der schwierigste Stepp zu mehr Diversität hat nichts mit neuen Frameworks oder intensiven Audits zu tun, die ich für Unternehmen gestalte. Es ist auch nicht am anstrengendsten, alte Strukturen mit strategischer Weitsicht aufzuweichen oder aufzubrechen. Es fordert nicht die meiste Kraft, das eigene Recruiting zu überdenken oder neue kulturelle Maßstäbe zu implementieren. Sehr oft ist der erste Schritt zur Selbsterkenntnis der härteste.

Die Erkenntnis, dass man ein Diversitätsproblem in seiner Organisation hat. Dass es übersehen wurde, vielleicht sogar verschleiert. Manche haben Angst davor, sich zu hinterfragen, weil eine externe Beratung aufzeigen könnte, dass vieles nicht so positiv war, wie man es immer wahrnehmen wollte.

Dabei können wir auf simple Art und Weise testen, wie divers wir wirklich leben und arbeiten:

Wie vielen Menschen begegnen wir tagtäglich, die anders sind als wir? Die anders leben, die andere Hobbys haben, anders denken, von denen wir uns auch äußerlich stark unterscheiden?
Bei wem während dieser Reflexion das flaue Gefühl keimt, in einer Blase festzustecken, sollte etwas verändern.
Es lohnt sich. Für einen selbst. Für die Firma. Für die Menschen in unserem näheren Umfeld. Divers sein heißt: erfolgreich sein.

Damit das gelingt, gibt es drei fundamentale Grundregeln:

  1. Jede sogenannte DEI-Bemühung (Diversität, Equity & Inklusion) muss direkt mit dem Zweck und der Strategie einer Organisation verbunden sein. 
  2. Ein strategisches und nachhaltiges Engagement für Inklusion muss Veränderungen auf sechs verschiedenen Ebenen berücksichtigen: Individuum, Führung, Gruppe/Team, Organisation, Markt und Gesellschaft. Alle beeinflussen sich gegenseitig und teilen sich einen Raum. 
  3. Ein Unternehmen, das sich intern nur zögerlich verändert, wird es schwer haben, in einem globalen Umfeld zu bestehen. Kunden verlangen, dass Unternehmen ihr eigenes Engagement für Inklusion widerspiegeln.

Marialejandra Rodriguez führt die erfolgreiche Innovationsberatung Kaleidoscope Innovation Consulting in Frankfurt am Main. Dort berät und begleitet sie internationale Unternehmen bei Diversitäts- und Innovationsprozessen.

Marialejandra Rodriguez - CONSULTANT, TRAINER & SPEAKER - Kaleidoscope Innovation Consulting
Marialejandra Rodriguez
CONSULTANT, TRAINER & SPEAKER - Kaleidoscope Innovation Consulting

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