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15.07.2021
 
10 Min.
Nachhaltiges Herz und wilde Verpackungen

Kurzfristige Trenderscheinung oder langlebiger Wandel: Was sind die wesentlichen Elemente beim Thema Nachhaltigkeit?

Bei OTTO spielt Nachhaltigkeit schon seit Jahrzehnten eine große Rolle. Es ist für uns nicht nur ein Trendthema. Wir praktizieren es bereits in den Geschäftsprozessen. Wir lassen es nicht nebenbei laufen, sondern sind bestrebt, uns nicht allein die ökologischen Aspekte anzugucken. Wir wollen das Ökonomische und Soziale gleichermaßen betrachten, zum Beispiel bei den Lieferketten oder den Mitarbeitenden. Wir versuchen, diesen Dreiklang in das Unternehmen zu integrieren. Nur dann funktioniert Nachhaltigkeit ganzheitlich.

OTTO ist ein weltweit agierendes Unternehmen mit sehr vielen Mitarbeiter*innen. Wie wichtig ist es, Führungskräfte einzubeziehen?

Es ist unabdingbar, dass wir Entscheidungsträger*innen einbinden. Wenn die Unternehmensführung uns nicht unterstützen würde, könnten wir das Thema weder ganzheitlich noch groß denken.

Menschen, die Nachhaltigkeit für Unternehmen antreiben, begeistern sich meist früh für das Thema. Wurden Sie von Ihrem Zuhause geprägt?

Mein Elternhaus hat mir von Anfang an einiges mitgegeben. Regional und saisonal einzukaufen zum Beispiel. Es ging uns um den Umgang mit Produkten. Ich lernte, wie ich etwas reparieren, etwas lange nutzen kann. Ich bin in Hamburg geboren und aufgewachsen. Es war kein Dorf mit riesigem Garten am Haus. Ich war damals nicht auf einem hundertprozentigen Ökolevel, habe aber auf einem Mittelweg vieles mitgekriegt.

Viele Menschen verbinden Nachhaltigkeit mit dem Landleben. Eigener Apfelbaum, ein Gemüsegarten, das behutsame Zusammenleben mit der Natur. Wie kamen Sie in einer Metropole wie Hamburg mit Nachhaltigkeit in Berührung?

Auch in der Stadt gab es damals es viele Möglichkeiten: secondhand einkaufen, auf den Markt um die Ecke gehen. Schon in den 1990er-Jahren zeichnete sich ein Trend ab. Nachhaltigkeit wurde immer mehr zum Thema. Zwar in einer Nische, aber doch wuchs das Interesse der Menschen.

Gab es für Sie ein Schlüsselerlebnis, etwas, von dem Sie sagen würden „Das hat mich in die richtige Richtung getrieben”?

Mein freiwilliges ökologisches Jahr nach dem Abitur hat mich sehr geprägt. Ich habe auf einer Tierstation gearbeitet und Kinder in Umweltthemen unterrichtet. Da spürte ich, dass ich etwas bewegen möchte.

Irgendwann brauchen idealistische Ambitionen eine professionelle Richtung.

Ich habe nach diesem freiwilligen Jahr eine Ausbildung bei einem Hamburger Verlag zur Medienkauffrau gemacht. Mir war bewusst, nur etwas bewegen zu können, wenn ich das in einem großen Unternehmen tue. Anschließend entschied ich mich für ein Studium im Bereich der Umweltwissenschaften. Während dieser Zeit, in der ich mich in Richtung Nachhaltigkeitsmanagement und Kommunikation spezialisierte, bin ich über ein Praktikum bei OTTO gelandet.

Warum denn OTTO und nicht Greenpeace?

NGOs sind gut und wichtig. Sie bewegen viel. Ich wollte aber in ein Wirtschaftsunternehmen gehen, das groß ist, nachhaltig agiert und trotzdem ein familiäres Umfeld hat. Es findet eine Zusammenarbeit statt, wir sind breit aufgestellt, ziehen mit den NGOs an einem Strang. Es geht nicht darum, einfach etwas nach außen zu kommunizieren, mit dem wir uns schmücken können. Es muss erst einmal intern stimmen.

OTTO versendet jedes Jahr Millionen Pakete. Wie wichtig ist das Thema Verpackung bei OTTO? Sie kooperieren in einem Projekt mit dem Start-up Wildplastic, um Kunststoffmüll vernünftig zu entsorgen oder zu recyceln.

Besonders in den vergangenen zwei Jahren haben immer mehr Leute durch die Corona-Pandemie online bestellt. Dadurch stieg das Verpackungsaufkommen erheblich. Wir als Versandhändler tragen für den Verpackungsmüll Verantwortung. Es ist immer wichtig, möglichst nachhaltige Materialien zu verwenden. Die Ware und damit auch die Verpackung müssen aber heil beim Kunden ankommen. Das ist ein Spagat, der uns gut gelingt.

Wie ist die Kooperation mit Wildplastic zustande gekommen?

Ein Kollege von uns kannte Wildplastic und stellte uns die Firma vor. Wir waren sofort von dem Projekt begeistert. Neben dem ökologischen Faktor, produziertes Plastik wiederzuverwenden, geht es dem Unternehmen auch um den sozialen Aspekt. Die Leute aus den Ländern, in denen das Plastik gesammelt wird, erhalten faire Löhne und arbeiten unter verbesserten Bedingungen. Wir verschickten 10.000 Versandtüten aus wildem Plastik in einem Pilotprojekt an Kund*innen.

Gibt es noch andere Ansätze oder Unternehmenskooperationen?

Wir haben eine Mehrwegversandtüte getestet. Die Herausforderung, ein Produkt zu entwickeln, das im Kreislauf bleibt, ist jedoch deutlich komplizierter als das Herstellen einer Einmalverpackung. Es verlangt viel mehr Anpassung in Logistik und IT. Mit dem Hamburger Start-up Traceless kooperieren wir im Bereich biologisch abbaubarer Kunststoffe. Meine Abteilung rief zudem die Kleiderspenden-Aktion „Platz machen mit Herz” ins Leben. Insgesamt arbeiten wir in der Unit Corporate Responsibility mit neun Kolleg:innen. Das zeigt, welche Wichtigkeit das Thema besitzt.

Gibt es einen gesellschaftlichen Trend zu solchen Themen?

Ein klares „Ja“. In den vergangenen Jahren sind überall bei Unternehmen Nachhaltigkeitsstrategien aus dem Boden geschossen. Die Anforderungen werden auch größer, die Kund*innen fragen viel mehr nach. Sie wollen wissen, wie nachhaltig Produkte sind, welche Zertifizierungen sie besitzen, warum Unternehmen so viel Plastik einsetzen. Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Sind Kunden überhaupt bereit dazu, mehr Geld für mehr Nachhaltigkeit auszugeben?

Für uns wächst einerseits der Druck, mehr dieser Produkte herzustellen. Sie werden dadurch aber auch teurer. Der OTTO-Normalkunde ist oft bereit dazu, mehr Geld auszugeben. Wir sind aber nicht mit dem Avocado-Store zu vergleichen, der eine sehr grüne Zielgruppe hat. Von daher würde ich sagen: Die Bereitschaft ist prinzipiell vorhanden. In der Realität wird aber auch auf den Preis geguckt.

Wie bewusst sind Sie privat, fängt es immer beim Einzelnen an?

Ich versuche, Plastik zu vermeiden, saisonal und regional einzukaufen, auch mal kleine, umliegende Bauernhöfe zu unterstützen. Ich fliege zudem ganz selten.

Was wäre Ihr Herzensprojekt, das Sie persönlich noch machen möchten?

Ein Kunststoff, der sich biologisch abbauen ließe und dennoch alle Anforderungen erfüllt, wäre toll. Persönlich träume ich immer noch von einem kleinen eigenen Garten, in dem ich mich austoben und selber Sachen anpflanzen kann.

Die Hamburgerin Karla Jabben gestaltet seit über drei Jahren die Themen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung beim Versandunternehmen OTTO. Zuvor war die Projektmanagerin beim Verlag Gruner + Jahr tätig.

Karla Jabben - Projektmanagerin CSR - OTTO GmbH & Co. KG
Karla Jabben
Projektmanagerin CSR - OTTO GmbH & Co. KG

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