Herr Christiansen, Sie sind als Nachhaltigkeitsberater tätig. Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen?
Ich bin in der Landwirtschaft aufgewachsen, wodurch mich der besonnene Umgang mit der Natur schon früh geprägt hat. Ausschlaggebend dafür, dass ich mich beruflich mit dem Thema nachhaltige Entwicklung beschäftige, war letztlich mein Studium der Volkswirtschaftslehre. Die klassischen Wachstumstheorien, die dort gelehrt wurden, haben mich sehr nachdenklich gemacht.
Auf mein VWL-Studium folgte eine Findungszeit, in der ich verschiedene Bereiche in der nachhaltigen Entwicklung kennengelernt habe. Unter anderem Entwicklungszusammenarbeit in Afrika und ein Praktikum in einer Nachhaltigkeitsberatung. Das hat mir so sehr gefallen, dass ich ein Masterstudium im Nachhaltigkeitsmanagement anschloss und mich noch während des Studiums selbständig gemacht habe.
Mittlerweile ist das Thema in aller Munde. Politiker*innen wollen nachhaltiger agieren, Fußballtrainer*innen etwas nachhaltig aufbauen, Menschen nachhaltiger leben.
Die Doppeldeutigkeit ist ein Problem. Nachhaltig bedeutet einerseits zukunftsfähig oder auch enkeltauglich, ist aber andererseits ein Synonym für dauerhaft. Zwei Menschen können ein und dasselbe Wort verwenden und über sehr unterschiedliche Dinge sprechen. Außerdem verstehen viele den Nachhaltigkeitsbegriff nur aus der ökologischen Perspektive. Es geht genauso sehr um wirtschaftliche und soziale Aspekte.
Wirtschaft ist ein gutes Stichwort. Unternehmen müssen gewinnmaximierend denken. Harmoniert dieses Begehren mit den edlen Motiven der Nachhaltigkeit?
Es ist falsch, wenn wir davon ausgehen, dass alle Unternehmen gewinnmaximierend agieren. Klar müssen sie ökonomisch handeln, das bedeutet aber nicht gleichzeitig Gewinnmaximierung. Unternehmen müssen sich in der heutigen Zeit mit ihrer Wirkung im Sinne der Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Unabhängig davon, ob es nun edle Motive sind oder nicht.
Unternehmen sind mittlerweile in vielen „sozialen“ Bereichen gefragt. Zum Beispiel beim Thema Diversität. Marialejandra Rodriguez, eine selbständige Projekt-Expertin für KRONGAARD, berät Konzerne in Diversitätsfragen. Sie überzeugt ihre Kund*innen, indem sie die wirtschaftlichen Vorteile betont.
Bei uns ist die Lage mittlerweile eine andere. Wir müssen Unternehmen nicht vom Thema Nachhaltigkeit überzeugen. Sie haben keine andere Wahl. Es ist zunehmend ihre Pflicht.
Eine moralische oder regulatorische Verpflichtung?
Die Regulatorik wird fordernder, der Druck steigt. Immer neue Regeln und Novellierungen, also die Abänderung von Gesetzen, zwingen Unternehmen zum Handeln. Sie müssen sich hinterfragen und Themen angehen, die für sie teilweise Neuland sind. Ansonsten können Konsequenzen drohen. Und sowieso: Die Nachfrage der Konsument*innen nach nachhaltigen Produkten oder Dienstleistungen wächst stetig. Es gibt also neben dem moralischen und regulatorischen Interesse längst auch ein betriebswirtschaftliches.