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19.02.2021
 
10 Min.

Customer Centricity: Der Kunde bleibt König

In einer Wirtschaftskrise, wie die Welt sie gerade erlebt, entscheidet in vielen Branchen die Treue der Konsumenten über das Fortbestehen von Unternehmen. Doch wie können Firmen Einmal-Käufer in treue und krisenfeste Kunden verwandeln? Indem sie sich stärker an den Interessenten orientieren und Services und Produkte stetig optimieren, raten Experten. Der Begriff Customer Centricity hat sich als beliebtes Buzzword etabliert.

Der Innovationsberater Max Orgeldinger berät und unterstützt Unternehmen bei diesen Prozessen. Der Gründungskopf von TLGG Consulting gilt mit seinem strategischen Know-how und dem scharfen Blick für Marktveränderungen als einer der wichtigsten deutschen Customer-Centricity-Experten. In seinem KRONGAARD Webcast formuliert der Experte prägnante Thesen, stellt Best Cases vor und erklärt anhand dieser Beispiele, wie Firmen ihre Kundenzentrierungsstrategien vorantreiben können - das Protokoll zum Webcast.

Die Thesen

  • Seien Sie sich im Klaren, wogegen Sie optimieren und was Sie bereit sind, für eine Verbesserung aufzugeben.
  • Je mehr Kundenzentrierung gelebt wird, desto weniger sollte der Begriff vorkommen.
  • Ihr Ziel ist es, die Stimme des Kunden zu hören und sie zu berücksichtigen.
  • Wichtiger als alle Tools sind gelebte Prinzipien.

1. Kennen Sie die eigene Position

Um Customer Centricity erfolgreich umzusetzen, ist es wichtig, dass Sie Ihre Position auf dem Markt kennen. Evaluieren Sie, ob die momentane Ausrichtung Ihres Unternehmens die Zielgruppe anspricht, die am meisten Bedarf an Ihrem Produkt hat. Fragen Sie sich, wie häufig Sie in der Vergangenheit direkten Kundenkontakt hatten. So können Sie mögliche Differenzen zwischen den Ansprüchen der Kunden und dem, was Ihre Produkte bieten, besser verstehen. Anschließend gilt es herauszufinden, wie Sie Ihre Organisation umstellen müssen, damit die Diskrepanz zwischen Kundenwunsch und dem, was sie momentan leisten, schmaler wird.

Der Pizzahersteller Domino’s setze diesen Prozess 2010 erfolgreich um und richtete das eigene Geschäftsmodell komplett neu aus. Was war passiert?

Bei damaligen Kundenbefragungen wurde das Unternehmen mit vernichtenden Kundenbewertungen konfrontiert. Das harsche Urteil: Die Pizza ist schlecht. Der Name Dominos stand für niedrige Qualität.

Den Anfang der neuen Kundenzentrierung-Strategie machte eine lautstarke Kampagne. In der entschuldigte sich das Unternehmen bei seinen Kunden für die schlechte Pizza und versprach Besserung. CEO Patrick Doyle stellte sich in Videos wie „Domino’s – Show us your Pizza“ der geballten Kritik.

Infolge des desaströsen Feedbacks hinterfragte sich das Unternehmen selbst und erfand sich neu. Dominos wollte wieder vom „Pizza Maker“ zum „Pizza Deliverer“ aufsteigen. Der Konzern investierte in Technologien, die garantieren sollten, dass ihre Produkte die Kunden möglichst schnell erreicht, die Pizza also dampfend an der Haustür ankommt. Zudem optimierte Domino’s – in maximaler Transparenz – Rezepturen und die Zubereitungsweise. Zusätzlich bewies Domino’s ein tiefes Verständnis für die eigene Zielgruppe, in dem das Unternehmen für die Kampagne „Domino’s Anyware“ den Bestellprozess über verschiedenste Kanäle wie dem Smart TV, Slack und zwischenzeitlich sogar dem Online-Spiel Counter Strike ermöglichte.

Was wir von Domino’s über Customer Centricity lernen können:

  • Begegnen Sie Ihren Kunden auf Augenhöhe.
  • Treffen Sie Ihre Kunden dort, wo sie mit Ihnen interagieren wollen.
  • Verstehen Sie das „Problem“, das Sie für die Konsumenten lösen müssen.
  • Richten Sie Ihre gesamte Organisation danach aus.

2. Fürchten Sie sich nicht vor dem Kunden

Scheuen Sie sich nicht davor, Ihre Kunden in den Entwicklungsprozess Ihres Unternehmens einzubinden. Wenn Sie ihnen empathisch und auf Augenhöhe begegnen, sind Konsumenten bereit, sich an der Arbeit zu beteiligen und wertvolles Feedback zu geben. Präsentieren Sie kompetente Ansätze zur Lösung des Problems. Das schafft Vertrauen in Ihre Arbeit und der Kunde wird Ihnen Zeit widmen. Mitarbeiter von Cargo One, einem Dienstleister, der es Unternehmen leicht macht, Luftfracht-Kapazitäten zu ordern, absolvieren häufig sogar Praktika in Partner-Unternehmen. Das Ziel: Die Ansprüche der Kunden besser verstehen. Hinterfragen Sie die Probleme Ihrer Kunden, um das eigentliche Kernthema zu erkennen und ihn mit einer unerwarteten Lösung zu überraschen. Schnelle Abhilfe, die nur temporär wirkt, verbessert Ihre Customer Centricity nicht nachhaltig.

3. Customer Centricity erfolgreich leben

Um sich gezielt und vor allem erfolgreich auf den Kunden zu fokussieren, ist es notwendig, dass Sie andere Bereiche vernachlässigen. Dieser Prozess kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Der US-amerikanische Wirtschaftsprofessor Peter Fader definiert Customer Centricity als die Berechnung des zukünftigen Wertes Ihrer Kunden. Nach deren Ansprüchen und Wünschen lässt sich ableiten, auf welche Bereiche Sie sich fokussieren sollten. Häufig werden langfristige Ziele priorisiert. Dieser Prozess beinhaltet also unter Umständen den Verzicht auf kurzfristige Profite. Dafür investieren Unternehmen in Ihre Kundenzentrierung und können auf lange Sicht gesund und profitabel arbeiten.

4. Ebenen für eine erfolgreiche Customer Centricity

Strategie: Kundeninformationen nutzen

Stellen Sie sich die Frage, was Sie über Ihre Kunden lernen können und wie Sie mithilfe der Informationen Probleme abgrenzen können.

Best Case: Die amerikanische Shoppingkette Best Buy verzeichnete trotz der Konkurrenz durch Amazon steigende Aktienkurse. Wie es dazu kam?

Das Unternehmen differenzierte rechtzeitig ein Problem. So ermittelte Best Buy, dass Kunden ihre Läden und Online-Shops besuchten, das gewünschte Produkt am Ende aber über Amazon bezogen. Das Problem war nicht, die Menschen zu erreichen, also das Interesse zu wecken, sondern den Kauf abzuschließen. Best Buy konnte mit diesem Wissen an der richtigen Stelle innerhalb der Customer Journey ansetzen. Mit reduzierten Preisen, der Umgestaltung Ihrer Shops und der Fokussierung auf den Kunden gelang es Best Buy, konkurrenzfähig zu bleiben und sich stetig zu entwickeln.

Struktur: Distribuierte Entscheidungen nah am Kunden

Überprüfen Sie, wer Entscheidungen trifft und wie weit diese vom Kunden entfernt sind.

Best Case: Der chinesische Consumer-Electronic-Hersteller Haier lebt eine "Team of Teams Struktur." Das Unternehmen beschäftigt rund 70.000 Mitarbeiter weltweit, die es aber auf über 4.000 sogenannte Mikro-Firmen aufteilt. Jedes davon arbeitet mit und für einen eigenen Kundenstamm. Dadurch können die Verantwortlichen ihre Entscheidungen immer nah an den Bedürfnissen der individuellen Zielgruppe treffen. Der Umsatz des Konzerns wächst konstant.

Tools: Holistisches Kundenverständnis

Überprüfen Sie, welche Werkzeuge Ihnen wirklich helfen, Ihre Zielgruppe zu verstehen. Verlieren Sie sich nicht in KPIs und Frameworks. Denn oft beginnen die Probleme bereits beim Messverfahren. Die Folge: verfälschte Ergebnisse in einem so wichtigen Thema wie der Kundenzufriedenheit.

Best Practice: Die Wissenschaftler Daniel McCarthy und Peter Fader errechnen in einem ihrer Ansätze den Wert eines Kunden anhand der Informationen, die er hinterlässt. Dafür betrachten sie, wann ein Kunde das letzte Mal gekauft hat, wie häufig er im Shop tätig wird und wie viel Umsatz er durchschnittlich einbringt. Daraus leiten die beiden Forscher den zukünftigen Wert eines Kunden ab. Mit diesem Wissen können Firmen die richtigen Zielgruppen fokussieren und daran arbeiten, möglichst wertvolle Kunden zu gewinnen.

Kultur: Show, don't tell

Kontrollieren Sie, ob Ihr Unternehmen Kundenzentrierung lebt oder nur darüber spricht.

Best Case: Beim Mailprovider Front beteiligt sich das gesamte Unternehmen in der Kundenbetreuung. Die interne Ausrichtung beinhaltet, dass auch die Führungsriege Kunden am Telefon berät und als gutes Beispiel vorangeht. Jede Woche wird in einem Meeting ein Highlight vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Das kann ein Kunde, eine Konversation oder ein Verkauf sein. Gutes als auch schlechtes Feedback wird mit allen Mitarbeitern geteilt, um sich gemeinsam zu entwickeln.

Innovationsstrategien für Konzerne, New Work und Unternehmenstransformation, Tech und Leadership sind seine Themen. Max Orgeldinger studierte International Management an der European Business School und gründete im Jahr 2011 TLGG Consulting mit. Er analysierte für Unternehmen wie E.ON, Lufthansa und Mercedes-Benz veränderte Marktbedingungen und erarbeitete strategische Lösungen. Der Wahlberliner ist zudem ein gefragter Redner und Mentor.

Max Orgeldinger – Co-Founder und Managing Director von TLGG Consulting
Max Orgeldinger
Co-Founder und Managing Director von TLGG Consulting

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