Herr Küster, der Begriff “Fachkräftemangel” begleitet die deutsche Wirtschaft schon einige Jahre. Erste Unternehmen sprechen bereits von einer “Fachkräftenot”. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Die Lage für die Unternehmen ist alarmierender denn je. Der Fachkräftemangel begann weit vor Corona und wurde lange unterschätzt. Doch der Wettbewerb um geeigneten Nachwuchs könnte ein noch größeres Problem werden. Viele Unternehmen haben sich auf die Ansprüche der nächsten Generation noch nicht eingestellt.
Nach meiner Einschätzung wird diese Situation mindestens noch fünf Jahre angespannt bleiben.
Was macht die Suche nach neuen Talenten so schwer – ist es nur der demografische Wandel oder vermehrt das neue, sinnsuchende Mindset der jungen Menschen?
Beide Aspekte erschweren das Recruiting. Der demografische Wandel reduziert den Markt quantitativ. Die Generation Z (1995 bis 2010 Geborene) ist mit 11,5 Millionen Menschen rund vier Millionen kleiner als die Generation Y (1980 bis 1994 Geborene).
Die qualitative Herausforderung ist die veränderte Lebenseinstellung der jungen Leute. Noch zu wenig Unternehmen beschäftigen sich bereits mit Werten, Visionen und ihrem Purpose, um attraktiv für neue Talente zu sein.
Betrifft das auch ausländische Talente?
Diese sehr motivierte Gruppe wird eher durch die strengen Einwanderungsbestimmungen und die Anerkennung von ausländischen Berufs- oder Studienabschlüssen blockiert. Solche Vorgänge sind in Deutschland noch zu kompliziert und langwierig.
Welche Fehler machen Arbeitgebende im Wettlauf um die Expert*innen von morgen am häufigsten?
Viele Unternehmen kümmern sich zu wenig um ihre momentanen Mitarbeitenden. Sie sind die wichtigsten Botschafter*innen eines Betriebes. Wer die Unternehmenskultur und die Arbeitsbedingungen für die Belegschaft heutzutage nicht anpasst, findet morgen noch schwerer neue Leute.
Doch auch der HR-Bereich muss sich verändern. Die Recruiting-Prozesse dauern oft viel zu lange. Und ich hörte in Fachgesprächen, dass nur etwa jede zweite Bewerbung beantwortet wird. Die Firmen unterschätzen die Candidate Experience, die Erfahrungen von Kanditat*innen in der Bewerbungsphase.