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06.05.2021
 
7 Min.
Gekommen um zu bleiben

Ich stamme aus der Kleinstadt Inta im Nordwesten Russlands. Der Nordpol ist dort näher als Berlin. Die Winter sind kalt und sie haben Ausdauer. Als ich zwölf war, sind wir als Spätaussiedler nach Deutschland zurückgekehrt. Nach „Hause” in ein fremdes Land.
 
Warum ich diese Geschichte zu Beginn dieses Blogbeitrags erzähle? Meine Jugend, die manchmal Unglück und Segen zugleich war, hat meinen Werdegang zur selbständigen Projektexpertin erheblich beeinflusst.

Durchschlagen lernen

Ich kam nach Deutschland und hatte es als 12-Jährige nicht leicht. Ich musste die Sprache richtig lernen. Mich an ein unbekanntes Umfeld gewöhnen. Kommt man in dem Alter an eine Schule, beginnt man als Außenseiterin. Meine Mutter wollte arbeiten, fand aber keine gute Arbeit. In Sachsen gab es damals – wie überall im Osten – nicht viele Chancen.
 
Später hat es uns der Arbeit wegen nach Aachen gezogen. Von Ost nach West, mehr als nur ein Umzug, ein Kulturwechsel. Wieder ankommen. Wieder neu sein. Wieder Anschluss suchen. Damals mag ich das als schwierig und ungerecht empfunden haben. Heute sind diese Erfahrungen ein Segen. Ich weiß, wie ich mich durchschlage. Ich weiß, wie ich allein zurechtkomme. Und ich weiß, wie ich neue Gegebenheiten annehme und rasch mit der Lösungssuche beginne. Meine Kindheit und Jugend haben mich auf meine selbständige Expertinnen-Laufbahn vorbereitet.

Start im IT-Bereich

Wenn es konkret um meine Beraterinnen-Laufbahn geht, ist durchschlagen ein gutes Stichwort. Als junge Frau in der IT-Branche, die keinen klassischen Werdegang hinlegte, sondern zunächst Wirtschaftsrecht studierte und sich mit dem Thema Recht auseinandersetzte, musste ich einige Hürden überwinden. Nur etwa zwölf Prozent der Fachkräfte in der Branche sind Frauen. Das spürte ich in so mancher Situation.
 
Aber ich habe weitergemacht, meine erste große Chance bekommen: Ein internationaler Energiekonzern brauchte in der Transitionsphase eines Projekts meine Unterstützung. Es ging um die Ausgliederung und Internationalisierung von IT-Prozessen. Ich bekam den Job, weil mein Profil erstmals komplett passte.

  • Ich besaß Projekterfahrung. 
  • Ich beherrsche mehrere Sprachen fließend. 
  • Ich habe international gelebt, gearbeitet und studiert. 
  • Ich kann IT.

Und ich hatte meine Fähigkeiten bewiesen, internationale Verträge nicht nur zu verstehen, sondern auch auslegen zu können. Ich bekam das Projekt. Eine Chance, die zur Referenz wurde. Das war mein Einstieg.

Vermittlerin zwischen IT und Rechtswesen

Zeit meines Lebens habe ich nicht nur international, sondern auch interdisziplinär gelebt und studiert. Ich bin es von klein auf an gewöhnt, mehrere Rollen einzunehmen. In diesem Projekt konnte ich diese Erfahrungen nutzen. Ich trat als externe Vermittlerin auf, als Fachkraft, die wusste, wovon beide Seiten reden und die deshalb erkennen konnte, durch welche Schluchten der Weg zum gemeinsamen Ziel führt.
 
Vermittlerin also. Vor diesem ersten großen internationalen Projekt hätte ich diese Aufgabe vielleicht als trivial angesehen, als nicht so wichtig. Im Tagesgeschäft spürte ich rasch, wie bedeutsam sie tatsächlich war. Ich bemerkte: Das Controlling schaut auf die Zahlen, und das sehr genau. Die IT versteht komplexeste Systeme und findet immer Lösungen. Die Inhouse-Jurist:innen können Gesetze blind repetieren und Probleme verhindern, ehe sie entstehen.
 
Ohne funktionierende Schnittstelle reden die Teilprojekte und die dazugehörigen Abteilungen aneinander vorbei, der Informationstransfer stockt. Doch ohne diesen können die Spezialist:innen nicht die besten Lösungen eruieren. Diese Schnittstelle zu sein, die aktiv vernetzt, die alle Informationen sammelt und analysiert, war extrem erfüllend. Aus dieser Position heraus konnte ich als externe Beraterin potenzielle Probleme erkennen und durch das projektbezogene Vertragsmanagement präventiv gegensteuern.

Konkret kommunizieren

Eine neue Situation vorfinden. Sie verstehen. Sie für mich und den Kunden lösen: Dieses Mindset, das ich schon sehr früh für mich entdeckte, hat mir nicht nur bei der Selbständigkeit geholfen. Es hat mich in allen Facetten effizienter und flexibler gemacht.
 
Durch mein interdisziplinäres Denken durfte ich immer wieder nach rechts und links gucken. Ich schaute nicht nur nach vorne, auf meinen Schreibtisch und auf meine Ziele. Ich versuchte, mir so viel wie möglich in den Fachbereichen abzugucken. Ich erlebte durch die unterschiedlichen Kunden diverse Projektmethoden im Alltag. Ich verstand die Vorteile und Nachteile klassischer, agiler oder hybrider Organisationsformen. Ich arbeitete als externe Spezialistin im Stakeholder-Management, im Bereich der projektbezogenen Due Diligence und begleitete Ausschreibungen und Vertragsverhandlungen. Was ich für mich lernte, brachte ich auch für andere ein.

Der Gegenwind ist die Natur des Projektes

Das ist die positive Seite. Die negative ist: Der Gegenwind gehört zur Natur eines Projektes. Wenn jemand Neues kommt, frischen Wind reinbringen will, nur auf absehbare Zeit in ein Projekt eintaucht, sehen einen die festen Mitarbeiter:innen nicht immer positiv. Manche wollen weitermachen wie bisher. Andere bangen um ihren Arbeitsplatz oder um die Verantwortung, die sie momentan tragen dürfen.
 
Auch ich habe anfangs Fehler gemacht, war zu forsch. Ich musste lernen, konkreter zu kommunizieren und dabei immer den Zweck einer Aufgabe zu erklären.
 
Warum machen wir das, für wen ist das, wer hat etwas davon?
 
Noch immer können viele intelligente, hervorragend ausgebildete Menschen keine Antwort darauf geben, für wen und was genau sie eigentlich eine Aufgabe erledigen. Warum die akkurate Erfüllung des vermeintlich lästigen Jobs so entscheidend für das Projekt ist. Diese Aspekte müssen jedoch erläutert werden, damit aus einem Vorhaben ein Erfolg wird. In meinem Hauptthemenfeld ist das „Erklären können” einer der wichtigsten Aufgaben innerhalb meines Projekt-Mandats: Es geht um SAP/ S4 Hana.

SAP S/4HANA

In internationalen SAP-Projekten ist oft die Rede von der Prozessharmonisierung über alle Einheiten hinweg. Dass dadurch die projektbezogene Komplexität steigt, unterschätzten die Entscheider:innen manchmal. Deshalb brauchen Unternehmen nicht nur die sogenannten SAP-Modulexperten, sondern primär jemanden, der über alle Module hinweg die vorhandene Komplexität auf der Programmleitungsebene analysieren und auswerten kann. Diese Person bin ich.
 
Das S/4HANA ist eines der umfangreichsten SAP-Upgrades, das es gibt. Es geht mit großen Systemveränderungen einher. In Unternehmen herrschen Unsicherheit und Veränderungsdruck. S/4HANA wird führend sein. Die Frage ist nicht ob, sondern wie bald. Die Softwarelösung bringt viele Veränderungen in Frontend und Backend. Ein großer Nachteil ist, dass in Unternehmen häufig das Know-how fehlt, um diese Probleme zu lösen. Deshalb können sie solche Projekte oft nicht intern stemmen und so werden Beratungshäuser beauftragt.
 
Deshalb sind wiederum die vertraglichen Grundlagen und daraus resultierende Rechte und Pflichten während des Projektes von großer Bedeutung. Oft müssen solche Projekte ausgeschrieben werden, wodurch nicht nur die klassischen Projektkenntnisse gefragt sind, sondern vor allem juristisches Wissen essenziell ist. Auch hier kann ich mein interdisziplinäres Geschick einbringen.

Die Zukunft in der Forschung

In meinen ersten Jahren als selbständige Projektexpertin habe ich vor allem eines begriffen: Hinter Vereinfachungen stecken meist hochkomplexe Prozesse. Es fasziniert mich, wie wir mit Verstand und mit logischen Abläufen das Komplizierte verstehen und für uns erschließen können. Und so den Alltag für sehr viele Menschen perspektivisch erleichtern werden. Es ist mein Ziel, Unternehmen in Transitionsprozessen zu begleiten und damit Innovationen zu managen.
 
Deshalb forsche ich berufsbegleitend in Edinburgh, Schottland, am Lehrstuhl für Innovation, Technologie und Recht zu interdisziplinären Themen wie das internationale Recht des geistiges Eigentums, IT-Recht, künstliche Intelligenz und Robotik. Als Zwischenschritt zu meiner Promotion werde ich im Sommer diesen Jahres meinen zweiten Master parallel zum Projektgeschäft abschließen. Weil ich irgendwann den Wandel nicht nur moderieren, sondern mit meinem Wissen aktiv gestalten möchte.

Maria Toporkova, 32, stammt aus Russland und lebt mittlerweile im Rheinland. Die selbständige Projektexpertin berät auf nationaler und internationale Ebene mittelgroße und große Organisationen. Ihr Ziel: Unternehmen breit gefächert und innovationsnah beraten.

Maria Toporkova - Selbständige Expertin IT-Projektberatung
Maria Toporkova
Selbständige Expertin IT-Projektberatung

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