Im Gegensatz zu heute war in den Neunzigern die Bankausbildung noch sehr breit aufgestellt. Bei der Sparkasse durchlief ich sämtliche Stationen. Anderthalb Jahre verbrachte ich in verschiedenen Filialen von der Provinz bis zur Großstadt. Ich arbeitete am Schalter, in der Beratung und im Backoffice. Abends Kontoauszüge einsortieren, tagsüber wieder herausgeben. Daueraufträge erfassen, Konten eröffnen, ab und an mal eine Versicherung verkaufen, Beratungsbedarf erkennen und an verantwortliche Kollegen überleiten. Belege sortieren und abheften. Geistig war das wenig fordernd, dafür aber stressig und fremdbestimmt. Der Weg in die komplexere Beratung schien mir sehr steinig.
Zum Glück kamen danach quartalsweise die Kreditabteilungen (Baufinanzierungen und kleine Unternehmenskunden) und die Organisationsabteilung (Betrieb und EDV). Das war viel mehr meine Welt. Wunderbare Einblicke in den Bankbetrieb abseits der Verkaufsfront. Im Jahr 1997, ich war 22, erstellte ich mein erstes Reporting. Heute sind diese Analysen selbstverständlich. Wir manövrieren uns mit ausgefeilten Tools ans Ziel. Damals, in Zeiten, als in den Filialen noch Briefe an Kunden auf der Schreibmaschine geschrieben wurden, war alles ein großes Abenteuer.
Vieles, was heute selbstverständlich ist oder schon veraltet, war Ende der Neunziger eine Revolution, “en vogue”. Beispielsweise die Einführung des risikoadjustierten Pricings für Kredite, die die Höhe des Zinssatzes aus der Bonität des Antragstellers ableiten. KI in Zeiten, als noch kaum jemand von maschinellem Lernen oder neuronalen Netzen sprach. Meine direkte Teilnahme an diesem deutschlandweiten Pilotprojekt war in meinem ersten richtigen Berufsjahr ein Schlüsselerlebnis. Ich erkannte, wie und woran ich künftig arbeiten wollte.